In den letzten Wochen habe ich immer wieder in den Nachrichten darüber gelesen, dass unsere Sicherheitssysteme – also die Computersysteme der Polizei in den einzelnen Bundesländern – untereinander keinen Datenaustausch betreiben. Das passiert wohl auch nur dürftig auf europäischer Ebene. Zum einen verwundert mich das, zum anderen möchte ich vermeiden, dass wir dort den gleichen Fehler begehen, den andere bereits gemacht haben. Daher habe ich mich dazu entschlossen, einen offenen Brief an unsere Regierung zu schreiben.
Liebe Regierung,
mit Erschrecken habe ich in den letzten Wochen in der Berichterstattung um die Hintergründe zu den Geschehnissen am Berliner Breitscheidtplatz vernommen, dass unsere Systeme der Polizei nur unzureichend länderübergreifend miteinander vernetzt sind. Da im Rahmen mit den Geschehnissen auf internationaler Ebene öfter vom „Deutschen 9/11“ die Rede war, möchte ich hierzu ein paar Fakten teilen.
Nach dem 11. September 2001 haben die Amerikaner versucht herauszufinden, wie es zu diesen Attentaten kommen konnte. Ein Grund dahinter war die mangelnde Vernetzung der Sicherheitssysteme wie dem FBI in den USA. Das FBI hatte bis dato immer noch mit Papier gearbeitet. Eine digitale Lösung fehlte vollständig. Daraufhin bekam das Virtual Case File (VCF) Projekt innerhalb des FBIs neues Momentum, das die bisherige Papierarbeit digitalisieren sollte. Das Programm wurde somit vorangetrieben.
In 2005 sollte dieses Projekt dann live gestellt werden. Einen Monat vor Livestellung fand die zuständige Qualitätssicherung des FBIs allerdings so viele Fehler, so dass das Projekt abgebrochen wurde. Die Software für nicht funktionstüchtig befunden (vgl. The FBI’s Upgrade That Wasn’t (Washington Post) und Wikipedia-Artikel).
Mit anderen Worten fand man beim FBI nach mehr als vier Jahren Entwicklung heraus, dass man nichts produziert hatte. Das Ganze hatte den US-Steuerzahler bis dato 104 Millionen (104.000.000) US-Dollar Entwicklungsaufwand gekostet, die danach weg waren – für nichts.
Das Problem beim FBI bestand aber weiterhin: die Agenten nahmen immer noch wie 1920 Fälle mit Zettel und Papier auf. Also entschloss man sich 2006 ein Nachfolge-Projekt namens Sentinel ins Leben zu rufen. Der Bericht des US-Governments besagt, dass bis 2010 Lockheed Martin in zwei initialen Phasen weitere 405 Millionen US-Dollar investiert hatte – bei einem Gesamtbudget von 451 Millionen US-Dollar. Zu dem Zeitpunkt wurden die Aktivitäten an Phase 3 und Phase 4 des Projekts eingefroren und man hat sich auf einen Wechsel beim Vorgehen besonnen.
Nach diesem Wechsel wurde 2012 das Projekt erfolgreich innerhalb des gesamten FBIs ausgerollt. Die Entwicklungskosten zu dem Zeitpunkt lagen bei 441 Millionen US-Dollar, wobei die restlichen 10 Millionen US-Dollar im Budget noch für Fehlerbehebungen anvisiert waren.
Was hat das FBI 2010 geändert, was dann zu dem Erfolg des Projektes geführt hat? Ein Bericht der Information Week nennt dafür 5 Gründe:
- Private sector expertise is valuable.
- Agile Development get things done.
- Commercial software plays an important role.
- Agile development is cheaper, too.
- Don’t deploy new software on old hardware.
Zwei der Gründe haben mit agiler Softwareentwicklung zu tun. Nicht nur, dass die Software fertig wurde, sie konnte auch zu wesentlich geringeren Entwicklungskosten fertig gestellt werden.
Bevor Sie also nun eine ihrer Ausschreibungen für die Neuentwicklung unserer Sicherheitssoftware in Deutschland erstellen, denken Sie doch bitte darüber nach, nicht die gleichen Fehler wie die Amerikaner zu machen. Mit mehr als 10 Jahren Verzögerung ist es ihnen nämlich gelungen, nach viel verschwendetem Geld für den Steuerzahler, eine Lösung zu etablieren, die erst auf der Zielgeraden innerhalb des veranschlagten Budgets bleiben konnte. Vielleicht möchten Sie diese Fehler nicht wiederholen.
Vielen Dank.