Kongruente Kommunikation

Vor ein paar Wochen erkundigte sich ein Kollege von mir nach einem guten Moderator für einen Kunden von uns. Das Problem dort stellt sich so dar, dass es einen andauernden Streit zwischen zwei unterschiedlichen Chefs gibt. Nach einem kurzen Gespräch mit ihm, bekam ich das Bild, dass den beiden Streitparteien vermutlich kongruente Kommunikation fehlt.

Kongruente Kommunikation? Was ist das? Werfen wir einen Blick.

Kongruente Kommunikation habe ich in dem Buch Quality Software Management Volume 2 – Congruent Action von Jerry Weinberg kennengelernt. Halt, das ist so nicht ganz richtig, es war vielleicht doch eher Project Retrospectives von Norm Kerth. Die ausführlichere Beschreibung liefert allerdings Weinberg.

Das Konzept stammt von Virginia Satir, einer Familientherapeutin aus dem letzten Jahrhundert. Satir hat in ihren unzählichen Sitzungen mit Klienten festgestellt, dass – wen wundert’s – gerade in der Familie es häufig zu Streitfällen kommt. In ihren Therapiesitzungen hat sie dabei eine Methode angewandt, die den Streithälsen auch langfristig geholfen hat. Manchmal sehen wir uns in der Softwareentwicklung als große Familie – manche nennen es auch Team – also sollte der gleiche Mechanismus auch bei uns funktionieren.

Die Grundlage für kongruente Kommunikation ist die Betrachtung der eigenen Position, der Position des anderen sowie der Sache, um die es geht. Bei kongruente Kommunikation haben wir alle drei Faktoren vorliegen: ich weiß, wo ich mit stehe und mache das deutlich; ich weiß, wo mein Gegenüber steht, und gehe auf ihn ein; ich gehe aber auch auf das Thema ein, über das wir reden.

Streit entsteht meistens in Fällen, in denen mindestens eins der drei Elemente fehlt. Diese nennt man dann inkongruente Kommunikation. Dabei gibt es ein paar Ausprägungen, die besonders häufig auftreten.

Wenn mir die Position des anderen egal ist, dann handle ich von einem blaming Standpunkt aus. Der andere wird dabei unterdrückt, und ich drücke nur meine eigene Sichtweise dem anderen auf. Dieser Fall findet sich beispielweise bei dem Manager, der seinen Tester die achte Woche in Folge fragt, ob dieser nicht das Wochenende durcharbeiten möchte, weil die Entwicklungsabteilung mal wieder spät liefert. Der Fall wird sogar noch deutlicher, wenn der Tester anmerkt, dass er mal wieder ein freies Wochenende braucht, der Manager das aber bewußt übergeht.

Der Tester, der dann klein beigibt, kommuniziert seine eigene Position nicht. Dadurch verfällt er dem Muster des Plakatierens. Ihm ist sein eigener Standpunkt entweder nicht bekannt, oder er läßt sich bewußt von dem „blaming“ Verhalten der Managers unterdrücken. In der Tat treten Plakatieren und „blaming“ oft in Kombination zu einander auf. Das ist u.a. auch der Grund, warum so manche Ehe länger hält, als einem der beiden Partner eigentlich lieb ist. Gefangen im Plakatieren versucht der unterdrückte Teil eigentlich nur sein Verhaltensmuster beizubehalten.

Falls mir das Thema völlig egal ist, handelt es sich entweder um eine Liebes- oder eine Hassbeziehung. Die beiden liegen hier sehr nah beieinander. Das liegt vor allem daran, da jedes Thema vollständig ignoriert wird – von beiden Parteien.

Dann gibt es noch den Fall des Superrationalen. Der tritt ein, wenn ich sowohl meinen eigenen Standpunkt als auch den Standpunkt des anderen ignoriere, und das Thema rein „rational“ betrachte. Auf Dauer wirkt ein solcher Zeitgenosse nervtötend auf so manchen. Als Tester ist mir persönlich häufiger schon aufgefallen, dass ich in diese Richtung tendiere. So richtig schlimm habe ich den Fall aber selber noch nicht beobachtet.

Zu guter Letzter gibt es noch den Fall von Irrelevanz. Hier reagiere ich mit einem Kommentar, der weder auf meinen Standpunkt, noch auf den Standpunkt des anderen und erst recht nicht auf das Thema eingeht. Diesen Fall habe ich häufig im Zusammenhang mit dem Burn-out-Syndrom erlebt bisher. Derartige Gesprächspartner sind derart ausgebrannt, dass sie mit reiner Ablenkung reagieren.

Doch was fange ich mit dieser Theorie an? Als Moderator würde ich gezielt darauf achten, dass beide Parteien, die ein Statement abgeben, alle drei Element kongruente Kommunikation verwenden. Lasse ich den Standpunkt des anderen weg, so ende ich häufig in Anschuldigungen verknüpft mit Du-Botschaften, wie beispielsweise:

  • Du hättest das nicht einchecken sollen.
  • Du machst nie etwas richtig.

Äquivalente, kongruentere Aussagen wären hier:

  • Heute morgen habe ich versucht etwas einzuchecken. Dabei habe ich Deine Änderungen von gestern Abend synchronisiert. Anschließend liefen 30 meiner Tests nichts mehr. Das hat mir eine Menge Arbeit verursacht. Hast Du einen Vorschlag, wie wir sowas in Zukunft verhindern können?
  • Letzte Woche habe ich beobachtet, dass Du drei Tests, die nicht liefen, auskommentiert hast, anstatt sie zu korrigieren. Wegen dieser drei Tests habe ich gestern Abend Überstunden machen dürfen, weil wir einen kritischen Produktionsfehler in unserem System hatten, der uns wegen des asukommentierten Tests durch die Lappen gegangen ist. Lass uns mal zusammensetzen und ausdiskutieren, wie wir derartige Probleme in Zukunft vermeiden können.

Dies sind nur zwei Beispiele, die allerdings die Kommunikation erheblich verbessern können.

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